In der Anklageschrift dieses Prozesses ist der ganze Ablauf der
Übernahme des Obermusbacher Waldes durch die Lehensbauern im Jahre 1785
festgehalten. Es klagt die Gemeinde Obermusbach, für den
Ochsenwirt Umhofer und die Taglöhner, gegen die Lehensbauern wegen
entgangener Holzgerechtigkeit. Unter Holzgerechtigkeit versteht man die
kostenlose Entnahme von Holz aus den Waldungen. Da diese
Anklageschrift die Problematik sehr schön und klar darlegt, wird bis auf
den Schlusssatz auf eine weitere Kommentierung verzichtet. Zum
Verständnis wurden kleine Kommentare in Kursivschrift
eingefügt.
An das
Königliche Oberamtsgericht
Freudenstadt
Klage
des Rechts Consulenten Reinhold
Köstlin
in Stuttgart als Syndicus der
Gemeinde Obermusbach, Oberamt
Freudenstadt
gegen
die Privatwaldbesitzer in
Obermusbach.
Einräumung von Nutzungen
in ihren Waldungen betreffend.
Königliches Oberamtsgericht
!
Da in dem aussenrubrizirtem
(rubrizieren=einordnen) Rechtsstreit der eigene Fall
eintritt, daß die Gemeinderäte, die das Interesse der Gemeinde zu mehren
hätten, zugleich die Privatwaldbesitzer sind, gegen welche eben dieses
Interesse zu wahren ist, so glaube ich, daß zu meiner Legitimation als
Klägerischer Syndicus das sub Cit. et bei geschlossene Schreiben des
Königlichen Oberamts Freudenstadt genügen wird. Diese Zuschrift gründet
sich auf ein auf besonderen Befehl ergangenes Dekret der Königlichen
Kreisregierung in Reutlingen vom 21.sten November 1836, worin es am
Schlusse heißt:
"Im Entstehungsfalle (wenn der Streit nicht gütlich beigelegt wird)
hat das Königliche Oberamt einen Anwalt zu bestellen, um Namens der
Gemeinde den befragten Anspruch in gerichtlicher Klage zu
verfolgen."
Eine beglaubigte Abschrift dieses Dekrets werde ich, wenn ein
Königliches Oberamtsgerichtes nicht vorziehen sollte, von dem Königlichen
Oberamt daselbst sich das Original mitteilen zu lassen, vorzulegen nicht
ermangeln.
Ehe ich nun zu dem Hauptvertrag komme, sey es mir erlaubt, die
Entstehungsgeschichte des vorliegenden Rechtsstreites mit einigen Worten
zu berühren.
§1.
Der Ochsenwirth Friedrich Umhofer zu Obermusbach, welcher im Jahr
1829 von Adam Mast ein auf der Markung von Obermusbach befindliches Haus
nebst weiteren Realitäten erkauft hatte, - welcher alles bis zu der damals
erfolgten abgesonderten Veräusserung (verkaufte
Felder) Bestandteil eines früheren Lehenguts gewesen -
beschwerte sich darüber, daß ihm von Schultheiß und Gemeinderath zu
Obermusbach die Einsetzung in den Genuß bürgerlicher Nutzungen
widerrechtlicherweise verweigert werde. Die Theils von dem Königlichen
Oberamt Freudenstadt, theils von der Königlichen Regierung für den
Schwarzwaldkreis in dieser Sache gepflogenen Verhandlungen gaben zur
Erinnerung allgemeiner, den Rechtszustand der ganzen Gemeinde betreffenden
Verhältnisse Anlaß.
Auf den Grund der damals gesammelten Akten läßt sich etwa folgendes
Resultat bauen.
Nach Beschreibungen von den Jahren 1769 und 1777 besaß die Gemeinde
Obermusbach noch große Commungüter. So z.B. Bestand (zufolge einem von dem
damaligen Klosteroberamtmann Heller im Jahr 1769 gefertigten
tabellarischen Verzeichniße) die Gemeinde Obermusbach aus einhundert und
neun Seelen, worunter siebzehn Bürger und sieben Wittfrauen, kein
Beisitzer. Dasselbe zählte etwa 16 Häuser, 15 Scheunen, 20 Stallungen, 7
Bunnen, 437 Morgen Acker (Mehefelder), etwa 193 Morgen 1/2 Viertel Wiesen,
8 Morgen 1 1/2 Viertel Gärten, 6 Morgen Privatwaldungen,- dazu nun aber
765 Morgen Commun Waldungen und 566 Morgen Allmanden (in Summe 1331
Morgen). Ebenso gibt eine Beschreibung der im Klosteramt Reichenbach
gelegenen Hof- und Lehengüter und des dazu gehörigen Areals vom Jahr 1777
für Obermusbach an: " 13 1/2 Hofgüter und 12 Besitzer, wovon einer 2, zwei
1 1/2, einer 1/2 und die überigen je 1 Hofgut haben. Diesen 13 1/2 Lehen
gemeinschaftlich sind gehörig 765 Morgen Waldungen und 566 Morgen Egarten
(Buschflächen) und Viehweiden."
Es hat sich nun gezeigt, daß dieses bedeutende Gesamteigentum im
Laufe der Zeit zu privatem Eigentum geworden und von den einzelnen
Lehenbauern unter sich verteilt worden ist. Zwar behaupten nun die Bauern,
daß diese Veränderungen schon vor wenigsten einhundert und sechzig Jahren
vor sich gegangen sei und ihr privater Besitz unferdenkliches Herkommen
für sich habe.
Allein es wurde eine Urkunde aufgefunden, welche deutlich beweist,
daß der Communwald erst im Jahr 1785 verteilt worden ist. Nach der
Steuereinschätzung vom Jahr 1730 waren diese beiden Waldstücke, der
Reichenbacher- und der Stutzwald, jener 345 Morgen 2 Viertel, dieser 419
Morgen 2 Viertel zusammen 765 Morgen groß. Von den 12 Bauern, welche diese
Verteilung unter sich vornahmen, erhielt jeder vom Reichenbacher Wald
einen Anteil von 46 bis 51 Morgen, am Stutzwald einen Anteil von 52 bis 57
Morgen. Es kommen auch sogenannte Mußen mit Theilen von 4 bis 8 Morgen im
Gesamtbetrag von 93 Morgen 3 Viertel zur Austeilung. Nachdem auf den Grund
dieser Urkunde den Bauern die Unwahrheit ihrer Behauptungnhatte ad aculos
demenserirt werden können, versuchten sie die Ausflucht, daß sie nichts
vom Wald selbst sondern nur von den Streueplätzen, welche man Allmandwald
heiße, gesprochen hätten, von diesen habe jeder Bürger 20 Morgen bekommen,
am Wald selbst habe jeder ursprünglich gegen 104 Morgen besessen. Allein
auch diese Behauptung zeigte sich als unwahr, denn es ließ sich aus dem
Steuer-Einschätzungs-Protokolle vom Jahr 1730 nachweisen, daß es damals
noch 566 Morgen Allmand gab, welche überdies unter der Benennung der
einzelnen Parzellen gerade so aufgezeichnet sind, wie sie in den
Beschreibungen von 1769 und 1777 stehen. Ebenso enthält das bei Einführung
des Steuer Provisoriumes im Jahr 1822 aufgenommene Protokoll die
Bemerkung, daß von den 566 Morgen Waid- und Allmandfeld in neurer Zeit 327
Morgen vermessen und verteilt worden seien. So daß nach Abzug eines
kleineren schon früher verteilten Distriktes noch 93 Morgen unverteilt
übrig bleiben. Es entstand der dringende Verdacht, daß das Original des
Teilungsvertrages vom Jahr 1785 von den Bauern mala fide (Übersetzung
mala fide = in böser Absicht) verleugnet werde, und wurden
daher die strengsten Nachforschungen nach demselben gepflogen, wenn gleich
ohne Erfolg.
Auch das Königliche Kamerelamt Dornstetten äusserte sich auf den
Grund der vorliegenden Amtsdokumente dahin, daß
1. es wohl keine, Zweifel unterliegen könne, daß die Gemeinde
Obermusbach als Körperschaft ein Grundeigentum an Allmanden besitzen
müsste, indem
2. in das Lagebuch des vormaligen Klosteramtes Reichenbach vom Jahr
1667 ausdrücklich bestimme, daß jeder, welcher zur Gemeinde gehöre, aus
der Gemeinde Allmandswald sein Bedürfniß an Holz hauen dürfe.
3. nach dem Lagerbuch der Geistlichen Verwaltung Dornstetten vom Jahr
1730 die Gemeinde ebenfalls als Körperschaft von allen Mehe-Ackern 9
Kreuzer 3 Heller Heuzehnten bis heute noch aus der Kommunkasse zu bezahlen
habe, bei pfandhafter Angreifung des gemeinen Einkommens, Gefälle,
Gerechtig- und Nutzbarkeiten, und daß
4. aus keinen Dokumenten hervorgehe, daß mit diesen Allmanden irgend
eine Veränderung vorgegangen oder eine Erlaubnis zur Verteilung derselben
unter die Bürgerschaft erteilt worden sei, ausser im Jahr 1812, wo der
Gemeinde gestattet wurde, 6 Morgen 2 Viertel Allmand unter sich verteilen
und urbar machen zu dürfen.
Die Lehensbauerschaft gestand selbst zu, daß sie über das von ihr
behauptete Herkommen aus den öffentlichen Gemeinderechnungen keine
Beweise beizubringen vermöge. Überdies ward durch das Zeugniß des
Feldmessers Herr von Dornstetten erhoben, daß im Jahr 1821 die
Lehensbauerschaft nach eigenem Gutdünken ohne Vorwissen der Behörden 300
Morgen Allmand unter sich verteilt und ausgemacht habe, daß jedem der elf
Lehengutsbesitzer fünf Stücke auf verschiedenen Plätzen zugeschrieben
werden sollen.
Sowohl das Königliche Oberamt Freudenstadt, als die Königliche
Regierung für den Schwarzwaldkreis und das Königliche Ministerium des
Inneren selbst sehen es daher als keinem Zweifel unterworfen an, daß das
verteilte Waldareal Communeigentum gewesen sei, und daß dasselbe in
keinem Falle ohne höhere Genehmigung hätte verteilt werden sollen. Nur
wollte man wegen der Länge der seitdem verflossenen Zeit eine
Zurückführung in den vorigen Stand nicht verfügen.
Mit der erwiesenen Tatsache nun aber, daß die Gemeinde Obermusbach
von jeher ein bedeutendes gesamtes Eigentum hatte, welches von der
Lehensbauerschaft zwar de facto, aber nicht de jure verteilt und in
verkäufliches und vererbliches Privateigentum verwandelt wurde, hing die
Frage nach den bürgerlichen Gerechtigkeiten, die auf diesem
Gemeindeeigentum radicirt gewesen sein möchten, eng zusammen. Es kam hier
aus Lagerbüchern, anderen Urkunden, Zeugnissen und dergleichen
Verschiedenes zu Tage, was in dieser Beziehung von Bedeutung erscheinen
konnte. Und je mehr Derartiges erhoben wurde, um so mehr mußte wiederum
die Eigenmächtigkeit auffallen, womit die Lehensbauerschaft ein mit so
vielen öffentlichen Beschwerden behaftetes Gesamteigentum unter sich
verteilt hatte.
Dies mußte aus dem Streite der Lehensbauern mit dem Ochsenwirt
Friedrich Umhofer hier angemerkt werden.
Der weitere Verlauf ist nicht von demselben Belange. Es genügt zu
erwähnen, daß auch das Königliche Ministerium des Inneren es nicht für
tunlich gehalten hat, die von den Lehensbauern in ihr Privateigentum
verwandelte Liegenschaft wiederum für Gemeindeeigentum zu erklären.
Daher sagt denn das Königliche Ministerium des Inneren: "Von
bürgerlichen Nutzungen im Sinne des § 48 des revidierten
Bürgerrechts-Gesetzes könne in jenem Falle (sofern der befragte Anspruch
nicht gegen Gemeindeeigentum, sondern gegen das Privateigentum der Bauern
gerichtet erscheine) zwar keine Rede sein. Allein es ergebe sich
gleichwohl aus den vorliegenden Akten, daß aller Grund vorhanden sei, ein
ganz analoges, lediglich auf den persönlichen Gemeindeverbund sich
gründendes, in dem Artikel 51 des revidierten Bürgerrechts-Gesetzes
vorgesehenes Nutzungsrecht gegen die Bauerschaft in Anspruch zu
nehmen."
§2.
Dieser Anspruch ist es nun eben, welcher mit gegenwärtiger Klage
verfolgt wird.
Wenn nun gleich, wie sich zeigen wird, von einem durch einzelne
Gemeindegenossen auszuübenden Nutzungsrechte die Rede ist, so ist doch in
Bezug auf die Legitimation zur Sache wohl kaum nötig zu bemerken, daß
einzig die Gemeinde als moralische Person diejenigen Rechts zu vertreten
habe, welche ihr von Mitgliedern eben nur auf den Grund des
Gemeindeverbandes hin zustehen, - wie denn auch das Königliche Ministerium
des Inneren sagt.:
"Es leuchte von selbst ein, daß bei diesem Nutzungsrechte, wenn
gleich dasselbe durch die einzelnen Gemeindegenossen ausgeübt werde, doch
die Gemeinde selbst wesenlich beteiligt sei, ja es sei wohl der allein
richtige Gesichtspunkt für die Beurteilung des diesfälligen
Rechtsverhältnisses, wenn die Gemeinde als das berechtigte Subjekt
angesehen werde, von welchem der Anspruch der Einzelnen auf den Grund
ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Gemeinde sich herleite."
Somit kann daher jetzt sogleich zu der historischen und rechtlichen
Begründung des behaupteten Anspruchs übergegangen werden.
§3.
Der schon oben berührte, von dem königl. Kameralamt Dornstetten
beglaubtigte Auszug aus dem Lagerbuche der Oberamtei Klosters- und
Forst-Verwaltung zu Reichenbach vom Jahr 1677 Folio 378 heg. lautet:
Obermusbach
daß Flekken aigen Banwäldt.
Die Waldungen und Gehölz, so fern und weit des Flekhen Obermusbach
Aigen Zwing und Bänn sich erstrecken, gehören zwar miteinander in die
zwölf Lehen daselbsten (aus diesem Satz leiteten die Bauern ihren
Besitzanspruch ab).
Es seyen aber die Allgemeindt und Bannwald allein, von alters her
folgendermaßen underscheiden:
"Item der Gräsin Madt zu dem Stegen scheidet die Allmeindt und
den Bannwaldt.
Item der Weg ob dem Rottenberg herain scheidet die Allmeindt und den
Bannwaldt.
So stehen in des Klosters Reichenbach uralten Saal und Lägerbuch
folgende Punkte und Articel:
Item, welcher hawen (hauen=fällen) will in dem
Bannwaldt, der soll Ihm laßen einen Wagen nachgehen, und mag hawen, was Er
bedarf, ußgenommen Latten, die soll Er nicht hawen, und soll auch nit mehr
hawen, dann er dermahl führen mag, und soll das Holtz nit abladen, und
welcher aber solch Holtz abläde, also dick Er das thut, also oft verfällt
er zur bueß dem Kloster Reichenbach drey Pfundt Tübinger und ein Tübinger
Heller, doch soll keiner in dem Bannwaldt nichzeit hawen an die Murch,
noch in der Allmeindt.
Item welcher zu dem obgenannten Dorf sitzt, und globt und geschworen
hatt, der mag hawen in der Allmeindt, waß er bedarf, ussgenommen an die
Murg soll keiner hawen.
Item es soll keiner mehr Holtz fällen in der Allmeindt, dann er auf
denselben Tag aufhawen mag."
Ferner Folio 319b:
Item auch welcher in der Allmeindt hawt, will er es selber nit
herausführen und es verkaufen, so soll Er es vorab in dem Dorf fail
biethen und zu kaufen geben, will aber keiner in dem Dorf das Holtz
kauffen, so mag er es zu kauffen geben, wem Er will."
Sodann lautet der gleichfalls vom königl. Kameralamt Dornstetten
beglaubigte Auszug aus dem Lagebuche der geistlichen Verwaltung
Dornstetten vom Jahr 1730, Seite 420 folgendermaßen:
"Obermusbach
Ewig ohnablößig Hellerzinß für den Heuzehenden jährlich auf Martini
Episcopi gefallend zu Obermusbach:
Schultheiß, Gericht und ganze Gemeindt des Flekhens Obermusbach
zinßen und zahlen zu öwigem ohnablößigem Zinß jährlich, genannt Heugeld
für den Heuzehenden auf den Tag Martini des heilgen Bischoffs einem
geistlichen Verwalter in Dornstetten, ohn Kosten und Schaden zu lifern und
zu entwerten, vier Schilling fünf Heller, drey Arthlen, Landsthun
Kreuzerwehrung neun Kreuzer, drey Heller.
Item
Kreuzerwehrung 9 cr. 3 Hlr.
Von, ausser und ab: Lauth alten Lagerbücher halten gleichwohlen
daselbsten zu Obermuspach von allen Meheäkhern als je von zwey Jaucherten
drey Heller zu Heuzehenden gefallen; dieweilen aber in vorhergegangenen
Erneuerungen wie viel solcher Meheäkher, welche die auch wo sie gelegen
seyen, nicht wißen noch eigentlich anzaigen konnten, haben durch
ambtliches Unterhandeln damahligen gewesenen Ambtmann und Schaffner
Wolffgang Aschemanns zu Reichenbach, gedachts Schultheis, Gericht und
Gemeinde sich dahin verwilligt und zugesagt, ernannten Kloster für
angeregten Heuzehenten alle Jahr und zu Einem Ewigwn und ohnablößigen
Zinnß fünf Schilling fünf Hlr zu reichen und zu eines Verwalters sichern
Handen zu liefern, auffer und ab deß Flekhen Obermusbach gemeinen
Einkommen, Gefäll, Gerecht- und Nutzbarkeiten, bei pfandhaffter Verbind-
und Angreifung derselben, ohne einige Auszüg, Irrung oder Eintrag, oder
auch Einwändung künfftiger Beschwerdt, wie Sie immer Namen haben mögen,
sondern es sollen dessen Alles ohnerachtet all verfallen Auständ sambt
Kosten und Schaden darauff erhohlet werden."
c.c.
Aus diesen beiden Auszügen ist ersichtlich, daß nach altem Herkommen
nicht bloß den Lehensbauern, sondern unzweifelhaft jedem bürgerlich.
Inngesessenen ein Beholzungsrecht zustehe,
wie denn auch das sogenannte Heugeld als eine, nicht auf der
Lehensbauerschaft, sondern vielmehr auch der Gemeinde als solches ruhende
Last deutlich genung prädicirt wird.
Dieses Recht ist aber auch nicht im Laufe der Zeit erloschen.
Vielmehr lassen sich für seine fortwährende Geltung gewichtige Beweise
beibringen.
So denn besonders die bereits angeführte Urkunde über die im Jahr
1785 vorgenommene Vertheilung des Reichenbacher und des Stutzwaldes. Hier
heißt es:
"Bei Verloosung der unter die Bauerschaft allhier ausgetheilten
Kommunwaldung sind folgende Bedingungen beschlossen worden:
1. Wenn einer oder mehrere durch Brand oder dgl. Unglücksfälle
sollten verunglückt werden, so solle ein jeder von Unglück frei Gebliebene
denen Verunglückten an Bauholz, der Gestaltung nach, nach dem
Bauüberschlag des Zimmermanns, 10 Stamm geben.
2. Sollen die Verunglückten befugt seyn, alle ihre zum Bauen nöthigen
Schnittwaren, nicht denen Sägtagen nach, sondern ununterbrochen sägen zu
lassen.
c.c.
4. Solle die Bauerschaft denen Taglöhnern das benöthigte Bauholz
verabfolgen lassen, und, wenn einer derselben Geschirrholz (Holz für
Karren, Fässer, etc.) nöthig habe, so müssen die Bauern, einer
um den anderen eine dazu taugliche Buche hauen lassen.
5. Seyen die Bauern verbunden, den Taglöhnern ihr nöthiges Hagholz
(Holz für Zäune zwischen den Feldern) aus ihren Waldungen zu
geben.
6. Das Brennholz und Haus anlangend, so die Taglöhner nöthig haben,
so müste jeder Bauer einem Taglöhner von dem Gipfel und anderem abgängigen
Holz ein Klafter (ein Klafter=etwa 3,3 Raummeter) machen lassen, wo es die
Bauern auch machen. Und sollten die Taglöhner nicht genug an einem Klafter
haben, so sind dieselbe berechtigt, wieder bey dem ersten mit einer
Holzfuhr anzufangen und sofort zu machen, was Sie nöthig haben. Auf das
Feld aber haben die Bauern zum Brennen denen Taglöhnern ihr benöthigtes
Bischel-Reiß (zur Aschedüngung) verabfolgen zu lassen. c.c.
- Daß all vorstehende Verhandlung mit eines jeden Bürgers freien
Willen geschehen und beschlossen worden, bezeugen Sie durch ihre
Unterschriften. -
Wie deutlich man sich hier der behaupteten Gerechtigkeit bewußt
gewesen sey, wie ausdrücklich man dieselbe anerkannt und sichergestellt
habe, braucht bei der Klarheit der Urkunde selbst nicht mit mehrerem
auseinander gesetzt zu werden.
Dasselbe ist auch noch im Jahr 1820 geschehen, als vier Bürger und
Hofbesitzer, Peter Braun, Johannes Wurster, Friedrich Klumpp, Martin
Ziefle, jeder einen Theil seiner Besitzungen am Reichenbacher Wald zum
Verkaufe brachten. Es heißt in der Urkunde ddo 28.ten März 1820.
"Die Bedingniße dieser Waldtheile sind folgende:
c.c.
3. Die Waldbesitzer haben die Verbindlichkeit, dem Taglöhner Michael
Frey sein benöthigtes Brennholz, wie das Lagerbuch sagt, in einem jeden
Waldbesitzertheil ein halbes Klafter machen zu lassen, von dem Abholz oder
Gipfel, wo der Eigentümer seine auch macht, ferner hat gemelter Taglöhner
auch das Recht, sein benöthigtes Büschlen-Reiß auf das Feld und Stangen
zum Hagen aus diesen Waldungen, dies Alles unentgeltlich zu
beziehen."
Es lassen sich aber auch für die neuere Zeit Zeugniße darüber
beibringen, daß jenes Recht fortwährend in Übung und Brauch gebleiben
sey.
Mehrere derselben finden sich in den mehr erwähnten oberamtlichen
Akten, so z.B.
a. Das Zeugniß eines August Schray und Friedrich Ruoff ddo.
Freudenstadt 2.te März 1832.
"Daß der verewigte Gassenwirth Klumpp zu Reichenbach die
Verbindlichkeit hatte, den zwey Taglöhnern zu Obermusbach jährlich in
Folge lagerbüchlicher Gerechtlichkeit, jedem ein Klafter Scheiterholz aus
seiner auf Obermusbacher Markung liegenden Waldung abzugeben, - und
b. des Michael Bohnet von Obermusbach, derzeit Schultheiß zu
Schorndorf, ddo. Freudenstadt d. 1.te März 1832.
"daß beim Verkauf seiner Eltern Liegenschafts Lehensguths zu
Obermusbach im Jahr 1827, diejenigen Allmandtstheile, welche nach
örtlicher Gewohnheit zum Streumachen eingeräumt waren, nicht verkauft
werden durften, sondern dem Orte wieder anheim fielen, wogegen das darin
stehende Holz seit Altersher immer gemeinschaftlich, namentlich durch die
Taglöhner benuzt worden."
c. der Jakob Bohnet, früher Lehenshofsbesitzer in Obermusbach,
dermalen in Glatten ddo. 6.te October 1832.
"Bei seinem Denken und Wissen sey die in Obermusbach in großer
Morgenzahl befindliche Allmand zum Genusse der Bürgerschaft immer auch die
Art behandelt worden, daß zur Nutzung der Strehe jedem Bürger seine
Distrikte theilweise zugedacht waren, damit nicht der eine ungleich mehr
als der andere mähen konnte; das auf der Allmand stehende Holz aber sey
zum gemeinschaftlichen Bedürfeiß der Bürgerschaft benützt oder insgesamt
zum Gemeinnutzen verwethet worden." -
Endlich wurden denn auch die vier Taglöhner, welche sich dermalen in
Obermusbach befinden, noch ausdrücklich von dem königlichen Oberamt
Freudenstadt vernommen und machten über ihre bürgerlichen Genüsse folgende
Angaben:
a. Georg Bauer, Zimmermann, 72 Jahre alt,
"er habe sich vor 47 Jahren nach Obermusbach geheirathet und das
dortige Bürgerrecht erworben. Gleich bei seinem Eintritte in das
Bürgerrecht seyen ihm von der Allmand ein paar Morgen Baufeld
(Baufeld=Ackerfeld) zur Benützung eingeräumt worden, die
nunmehr sein Sohn als Gutsnachfolger, mit Ausnahme eines vorbehaltenen
Plätzchens benütze. Als vor etwa 14 Jahren die Haiden um den Wald herum
von den Bürgern vertheilt worden, haben Sie ihm einen Platz (wie groß,
wisse er nicht) davon angewiesen, und er, jetzt sein Sohn, haben bis daher
darauf Streue gemacht.- Was er an Bau- und Brennholz nöthig gehabt, habe
er auf den Allmanden herum öffentlich, also mit Wissen der Gemeinde
unentgeltlich aufgemacht. Überigens sey der Gemeindewald schon bevor er in
die Genossenschaft getreten, unter die Bürger vertheilt gewesen. Die
Gemeindelasten betreffend, so habe er an Allem, was aufgegangen sey,
bezahlen und Frohnen, Wachen, Botenlaufen auch Kriegskosten leiden
müssen.
b. Michael Frey, Taglöhner, 72. Jahre alt, geborener Bürger von
Obermusbach, besaß ein Haus und einiges Feld, jetzt Leibgedinger,-
Er sagt:
"Bei seinem Eintritt ins Bürgerrecht habe er von seinem
Schwiegervater an Allmandbaufeld etwa 1/2 Morgen übernommen, und bei einer
späteren Vertheilung von Allmanden vor etwa zwölf Jahren wieder 5/4 Morgen
erhalten, etwas mehr als Andere, weil er den Hag am Weg leiden mußte. Von
den vor etwa zwölf Jahren vertheilten Haiden habe er auch ein Plätzchen
zur Streunutzung erhalten. Alles Bau- und Brennholz bekomme er von jeher
unentgeltlich, jenes aus dem jezt noch bestehenden Gemeindewald, dieses
auf den Allmandfeldern und - seit sie vertheilt seyen, - in den
Bauerwaldungen. An allen Gemeindelasten habe er von jeher beigetragen,
namentlich auch Frohnen, Wachen, Botenlaufen müssen."
c. Johannes Frey, Taglöhner, 34. Jahre alt, Bürger zu
Obermusbach.
"Er besize ein Haus und Feld, habe gegen 2 Morgen Baufeld als
Allmand, aus welcher er nichts bezahle, auch ein Plätzchen zum
Streumachen, beides von seinem Vater. Das Bauholz erhalte man aus dem
Gemeindewald, das Brennholz, etwa acht Klafter, gleichfalls unentgeltlich
aus den Bauerwaldungen, vertheilt auf die Morgenzahl. Auch er müsse an
allen Gemeindelasten bezahlen-."
d. Jakob Bauer, Zimmermann von Obermusbach, 44. Jahre alt, geborener
Bürger daselbst:
Er besitze Haus und Feld; habe von seinem Vater gegen 1 1/2 Morgen
Allmandbaufeld erhalten, welche er unentgeltlich benütze, desgleichen ein
Plätzchen zum Streu machen. Er erhalte das Bauholz unentgeltlich aus dem
Gemeindewald, das Brennholz, etwa 8 Kalfter, aus den Bauerwaldungen
gleichfalls ohne Entgeld, auch auf der Allmand herum, wie man es da finde.
Er müße an allen Kosten teilnehmen, an Rauchhaber sogar soviel als ein
Bauer gebe."
§. 4.
Aus den bisher angeführten Daten erhellt wohl zur Genüge, daß die
ehemals reich begüterte Kommun (neben einer ähnlichen Gerechtigkeit, die
das Kloster Reichenbach darauf hatte) allen bürgerlich Inngesessenen auf
ihrem Commun-Areal ein Beholzungsrecht eingeräumt hatte. So führt denn
auch das Steuer-Einschätzungs-Protokoll von 1720/30 bei Belegung der
Bürgerrechte neben den Lehensaeuern ausdrücklich die Söldner
(Taglöhner) mit auf.
Nun wurden zwar (ob mit Recht oder Unrecht, gehört zunächst nicht
hirher) die Commun-Waldungen als ein den Lehensbauern pro indiviho
gehöriges Gemeinheitsgut angesehen und als solches endlich von den
Mitgliedern dieser Communio unter sich getheilt. Damit konnten jedoch
keinenfalls die Rechte Dritter, also auch nicht die Rechte der Söldner
oder der sie vertretenden Gemeinde vernachtheiligt, es mußten vielmehr die
Bezüge, welche die nicht realberechtigten Gemeindegenossen nach Herkommen
oder Verträgen aus dem Gemeinheitsgut anzusprechen hatten, auf den
einzelnen Parzellen radizirt werden. Es tritt somit ganz und gar der Fall
des Artikels 51. im revidirten Bürgerrechtsgesetze ein.
Nachdem nun aber der Versuch mißlungen ist, die Lehensbauerschaft auf
aussergerichtlichem Wege dahin zu vermögen, daß sie die fragliche, auf das
Lagerbuch gestüzte, und in Verträgen wiederholt zugestandene
Verbindlichkeit gebührendermaßen anerkenne, so ergeht, hohem Auftrage des
Königlichen Ministerium's des Inneren gemäs, durch mich als klägerischen
Syndikus an Sie Königliches Oberamtsgericht die gehorsamste Bitte, zu
erkennen,
daß die Lehensbauerschaft schuldig sey, den nicht realberechtigten
Gemeindegenossen in den vertheilten Commun-Waldungen diejenigen
bürgerlichen Genüsse einzuräumen, welche in §. 3. dieser Klageschrift aus
Urkunden und Zeugerichen als denselben Zuständig nachgewiesen wurden,
sofort aber auch alle Kosten dieses Rechtsstreits zu tragen. -
Worüber Verehrungsvoll verharrend,
Eines Königliche Oberamtsgerichts
Gehorsamster Dr.
Reinfold Köstlin,
Rechtsconsulant
Stuttgart, den 20.ten März 1837
Im Jahr 1842 wurde ein Vergleich geschlossen,
nach dem die Lehensbauern der Gemeinde eine Entschädigung von 2500 Gulden
zahlen und damit die Gemeinde und die Taglöhner auf ewige Zeiten auf die
Holzgerechtigkeit verzichten. Die Taglöhner sollten ab diesem Zeitpunkt
ihre Holzgerechtigkeit aus dem Gemeindewald erhalten. Nach Abschluß dieses
Vergleichs widersprach die Bezirksregierung Tübingen im Mai 1843
dem Vergleich in den Punkten, die den Bezug der
Holzgerechtigkeit aus dem Gemeindewald betrafen. Was zur Folge hatte, dass
dieser Prozeß letzendlich dazu führte, dass die Taglöhner auch noch ihre
vorher festgeschriebene Holzgerechtigkeit verloren.
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