Einiges aus der Vergangenheit von Obermusbach
– Ein Aufsatz von Prof. Dr. M. Eimer, erschienen 1930 in
„Aus dem Schwarzwald“ des Schwarzwaldvereins. –
Es sei von den Pfalzgrafen von Tübingen an das Kloster Reichenbach gekommen,
– das ist alles, was über dies anmutige Dorf im Oberamt Freudenstadt in den Büchern berichtet wird. Und dies Wenige stimmt wohl nicht einmal ganz.
Was mag sonst darüber zu berichten sein? Und wozu sich über die paar Bauernhöfe und Häuser den Kopf zerbrechen? mag mancher vielleicht fragen. Die Berechtigung dafür, dass auch recht verborgene und abseits gelegene Wald- und Wiesendörfer einmal an die Reihe kommen, ist aus der Bewegung unserer Tage (1930) abzuleiten, die etwas neues zum Ziele hat:
Heimatkunde
Es ist hoch erfreulich, dass auch unsere Dorfjugend neuerdings nichts mehr aus der Schule entlassen wird, mit Schreiben, Religion und Rechnen ausgerüstet, ohne dass ihr auch der Sinn für die Heimat – Ort und Bezirk – geöffnet wird, und dass gerade in der Zeit, wo das Alte, das sich Jahrhunderte lang in der Erinnerung der Groß- und Urgroßeltern erhielt, durch früher ungekannte Ablenkungen und durch Streben aus der Heimat hinaus in die Städte oder Fabriken, rasch aus den Köpfen der Ortsinsassen hinausfliegt und abstirbt, im letzten Augenblick durch eifrige Sammler des alten schönen Gutes in Buchform gebracht und so dauernd bewahrt und jedermann zugänglich gemacht wird.
Im Sinn dieser Bestrebungen hat aber jeder Ort, mag er noch so unbedeutend sein und vom Gang des Weltgeschehens vollständig abgeschlossen erscheinen, ein Recht darauf, zu dem Seinen zu kommen, wenn über seine Vergangenheit etwas zu sagen ist.
Und nicht selten zeigt es sich, dass auch solche friedlichen Dörfer in der früheren Zeit sogar Eigentümlichkeiten besessen haben, welche im Rahmen der weiteren Heimatkunde, der Volkskunde, ganz beachtenswert sind.
Auch in anderer Hinsicht hat unsere Zeit es verstanden, ein Band zwischen Bewohnern und Heimat zu knüpfen; das ist die Familienkunde. Das Interesse für die Familiennamen früherer Zeiten beginnt reger zu werden, und so hat es auch seine Werte, das, was aus Aktenmaterial zu gewinnen ist, zu erhalten.
Dies hat auch Interesse für manchen Städter, der plötzlich entdeckt, dass sein Stamm in einem benachbarten Dorfe wurzelt. Und so habe ich geglaubt, allerlei, was bei Studien über anderes so nebenher mitgenommen werden konnte, über einige kleinere Orte des Freudenstädter Bezirks zusammenzustellen und in diesen Blättern veröffentlichen zu sollen.
„Die beiden Musbache“, wie es einmal heißt, liegen am Oberlauf des Stockerbaches, eines der Zuflüsse der Glatt, etwa zehn Minuten (Gehminuten d.R.) von einander. Die eigentliche Namensform scheint Mosbach gewesen zu sein. So lautet es wenigstens im 15. und 16. Jahrhundert häufig (Muosbach und Mugensbach im Reichenbacher Schenkungsbuch sind unsicher und erst aus dem 15. Jahrhundert).
Eine Nachricht besagt, es sei das Dorf (pagus) Musbach von dem Stifter des Klosters Reichenbach, Bern von Siegburg, im Jahre 1072 dem Kloster geschenkt worden, nachdem er es einem Edlen von Neinegge abgekauft gehabt.
Später (um 1490) machte der Prior von Reichenbach geltend, es sei „um Gotteswillen“ von Fürstenberg dem Gotteshaus geschenkt worden (Generalandesarchiv Karlruhe, Baden, Ausland, Falz.1155.- In der „Gesch. der Pfalzgrafen von Tübingen“ von Ludw. Schmid kommt Obermusbach nicht unter den tübingischen Orten vor).
Beides ist sehr gut miteinander zu vereinigen. Im ersten Falle wäre das Kloster der Eigentümer an Grund und Boden geworden, im zweiten Falle hätte es auch andere Rechte, z.B. die niedere Gerichtsbarkeit, dort erhalten.
In der „Kurzen Geschichte des Klosters Reichenbach“ von Mack heißt es denn auch, das Kloster habe im Jahre 1304 – also noch zur Zeit der Fürstenbergischen Lehensherrschaft in der Gegend um Dornstetten – „einige Rechte“ in Obermusbach erworben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese von Fürstenberg herstammen; denn die Pfarrei Dornstetten, deren Patronatsherren die Fürstenberger gewesen waren, erhob noch im 16. Jahrhundert ganz bestimmte Ansprüche an ihr „Filial“, die Kapelle in Obermusbach, z.B. 20 Gulden Baugeldzuschuß, und es kam deswegen zu Zwistigkeiten, welche 1557 zugunsten von Kloster Reichenbach entschieden wurden: Die „Caplaney“ zu Obermusbach wurde dem Kloster zugesprochen, wogegen dieses auf sein Patronat über die Kirche Urnagold verzichtete.
Diese kirchlichen Zusammenhänge werden durch wirtschaftliche Verknüpfung mit Untermusbach ergänzt. Beide Dörfer hatten nur einen Gemeindehirten, welcher mit dem Vieh beider Orte auf die Weide fuhr. Und zwar reichte diese „Zufahrt“ bis nach Lützenhardt (Ein Grenzpunkt der Gerechtsamen des Waldgeding war die große Linde bei Lützenhardt, die auf G. Stebhabers Forstkarte von 1675 (Staatsarchiv) deutlich zu sehen ist).
Auch beanspruchten die von Obermusbach das Weiderecht im Dornstetter Hard. Wenn sie mit den Untermusbachern gemeinsam austrieben, so durften diese „die Heiden meigen (mähen) und auf dem Hard gehn Ilensberg (Igelsberg) einhin“.
Die von Obermusbach beanspruchten geradezu den Wald zwischen dem Pfaffenbrunnen (beim Tannenbühl, der Glatt zu fließend) und dem Martinsbühl (nördl. von Dornstetten). Und noch mehr: zu Anfang des 15. Jahrhunderts haben sich die von Obermusbach „unterstanden, etliche Artikel, in das Waldgeding dienend, zu verkünden“. Auch dies wurde ihnen durch den Vertrag von 1557 untersagt.
Dies alles deutet darauf hin, dass Obermusbach, ehe es ans Kloster kam, zum Amt Dornstetten und ins sogenannte Waldgeding gehört haben muß und daraus noch später Rechte an Wald und Weide ableitete, die ihm nach seiner Lösung aus der Genossenschaft nicht mehr zustanden.
Anderseits blieb Untermusbach einer der Waldgedingorte, und nun erklärt sich die sonderbare Bestimmung der Waldgedingverkündigung, dass die Waldgedinger „Heiden meigen“ dürfen bis „an die Kirchmuern von Illisberg“. Dies geht in die Zeit zurück, wo das ganze Hard bis Igelsberg noch zum Waldgeding gehört hatte.
Vielleicht darf man eine Nachricht des Kärtener Schenkungsbuches von Reichenbach (Württ.Urk.B.VI, 442ff.) auf Obermusbach beziehen.
Danach schenkten zwei Freie aus Wittlensweiler dem Kloster einen Hof, in (der Mark) Dornstetten, der zum Waldgeding gehört hat. Dessen Hauptgerechtigkeiten. Holznutzung, Weide u. a. betreffend, werden hier zum ersten mal erwähnt. Da wir nie wieder etwas von einem solchen Hof hören und die anderen dem Kloster geschenkten Höfe in dessen Nähe nicht ins Waldgeding gehörten, so dürfte es sich um einen Hof in Obermusbach gehandelt haben.
Noch eine Bestimmung eigener Art deutet auf die frühere Zugehörigkeit des Dorfes zum Waldgeding. Der Amtmann von Dornstetten hatte die richterliche Gerechtsame über alles, was zwischen dem Horber See (bei Bittelbronn), dem Dürrenbach (einem Bächlein bei Obermusbach) und dem Steinernen Kreuz an der Oppenauer Steig „rugbar“ wurde. So steht es in der Waldgedingverkündigung. Aber auch Obermusbach hatte seine „Verkündigung“, die jedenfalls an den zwei jährlichen Gerichtstagen verlesen wurde (Vergl. Geistl. Lagerbuch Nr. 1824; fol.402ff. vom Jahre 1427 [Staatsarchiv]). Darin heißt es: „Wenn zween oder mehr gesessen in dem obgeschriebenen Dorf ein Krieg anheben und die Messer übereinander zuckhen, oder zügen (ziehen), also dickh und viel das gescheh zwischen dem See zu Horb und dem Kreuz auf der Nopenawer Steig, der sollichs (solches) täte, der hinder dem Prior zu Reichenbach gesessen ist, der wird umb vier Pfund Tübinger Währung gestraft“.
Also: der Prior von Reichenbach war an die Stelle des Amtmanns von Dornstetten als Richter getreten.
Er hielt zwei Jahrgerichte, „am Tag nach Martin und dem Maitag“, von dem gleichen Geschäft von Igelsberg kommend, ab. Wer dann bis Mittag nicht da ist, wird um 3 Schilling Tübinger gestraft; wer aber das Jahr über gar nicht „zu gericht war, so ihm gebotten wurd“, um 18 Schilling Tübinger.
Kauf und Verkauf eines Gutes geschah vor zwei Richtern, d.h. angesehenen Hofeigentümern. Die Gemeindesteuer hieß die Solsteuer, wohl ein sehr alter Ausdruck, zusammenhängend mit „sal“, Herrenhof; also Herrschaftssteuer (Vergl. den Solhof bei Schömberg). „Und die soll man setzen auf Reich und Arm“. „Uf den 13 Hoffstätten“, die Lehen genannt werden, „wächst Hew und strauw“ (Geistl. Lagerbuch Nr.1834; fol.143, vom Jahre 1667 ff. [Staatsarchiv]). “
Wer kein Lehen hat, der ist geheißen ein Soldner, und welcher Soldner aigen Roch hat (d.h. einen eigenen Rauch, Herd; Haushalt), der geit ein Herbsthuon und ein Vaßnachtshuon“ (wie, neben anderem, auch die Lehensleute), „und ein Scheffel Habern; und der aber nit aigen Roch hat, der geit ein Vaßnachtshuon und 2 Viertel Habern, und wer nit Habern gesegen (gesät) hat, der geit Geltt dafür“.
Wer ein Lehen hat, der soll – in der Fron – einen Tag mähen zu Reichenbach; wer zwei Lehen hat, zwei Tage; auch jeder Soldner soll einen Tag mähen.
Die Güter außer den Lehen werden Roder genannt. Wer ein Rod hat, der mag davon wegführen, was er darauf (stehen, wachsen) hat.
Jeder darf im Bannwald Holz hauen und dies auch verkaufen, soll es aber zuerst im Dorf feil bieten. Die Wälder gehören den Dreizehn Lehen. Dann folgt die sonderbare formulierte Bestimmung:
„Auf den 12 Lehen sollen sitzen 12 Richter und auf dem 13. Lehen ein Richter“ (Sollte die Zwölfzahl dem alten Schöffenwesen entsprechend von dem 13tem geschieden worden sein?).
Ein Soldner hat die gleichen Rechte wie die anderen an Holz, Weide und Wasser; dafür gibt er die Solsteuer.
Unter dem Dorf ist eine Mahlmühle. Dieser gehört der Bach. Wenn einer aus einer fremden Herrschaft darin mahlen lassen will, „so soll der frembd hünder sich stehen (hintendran stehen bleiben; warten) und soll dem aus dem Dorf sein Korn uffschütten und mahlen lassen, und wolle der Müller das nit thon, so mag dirre (dieser, d.h. der Dorfangehörige) das Wasser nehmen und mag das richten durch den Pryel, dazu hat er Recht;“ das heißt: „bei dem Eichen Priel (Brühl) ist das Wasser aus dem Graben zu richten in die Wiesen;“ dies soll bei Gußregen geschehen, damit die Mühle keinen Schaden nehme. Es konnte aber, wie eben gesagt auch für die anderen Gründe abgeleitet werden. Das galt ebenso auch für die „ob der Mahlmühlen“ gelegenen Sägmühle. Beide konnten durch Ableitung des Wassers stillgelegt werden.
Die Streitigkeiten wegen der Zufahrt ins Dornstetter Hard hatten scharfe Formen angenommen. Wenn die von Obermusbach ihr Vieh dorthin trieben, „da haben die von Dornstetten ihnen das understanden zu entweren mit gewalt und denen von Musbach ihr Vieh da genommen zu vielmalen, och nider geschlagen und verzehrt“.
Ein andermal klagen die von Obermusbach, die Dornstetter hätten den Wald, auf den letzere Anspruch machten, abgehauen und verwüstet und ein anderes Stück Wald geschält.
Die Antwort lautete: Die Dornstetter nützten den Wald nicht anders als früher (vor 1461).
Gelegentlich fingen die von Dornstetten auch die Hirten von Obermusbach, „die man um guter Nachbarschaft wieder ledig gelassen hat“.
Im Jahre 1506 kam eine Kommision von abgeordneten Räten – Württemberg und Eberstein – zusammen und es wurde ein Vertrag geschlossen:
Obermusbach soll in seiner Markung alle Nutznießungen an Weide, Feld und Wald haben: aber ins Dornstetter Hard dürfen sie künftig nicht mehr fahren.
Damals wurde ausdrücklich festgestellt, dass Obermusbach in die Grafschaft Eberstein und unter das Priorat Reichenbach gehöre. So bleib es, bis 1602 das Klosteramt von Eberstein an Württemberg verkauft wurde. Danach wurde die Reformation auch in diesem Amt eingeführt.
Die ersten Bewohner von Obermusbach, die wir mit Namen kennen, sind folgende:
1461 (als aussagende Zeugen wegen Grenzangelegenheiten des Klosters):
Contz Schöblin,
Hans Schlatter,
Bentz Büheler,
Bentz Hug,
Hans Endris,
Hans Schmid,
Warnli von Musbach.
Sodann (auch 1461):
Hans Enschert, Schultheiß zu Obermusbach.
Dann 1470 (als Zeugen):
Contz Schöblin,
Hans Schöblin,beide Richter
Clauß Schöblin, Schultheiß
Conrad Enschart, auch Richter.
Dies und andere nannten sich (1511, Kopialbuch Nr. 182; fol.413 (Generallandesarchiv Karlsruhe): „Schirmsverwandte Buren, Schultheiß, Gericht und gantze gemeynt zu Moßbach“.
Der Artikel wurde uns freundlicherweise vom Schwarzwaldverein überlassen.
Hierfür vielen Dank.
Bildausschnitt aus einem Porträt von Manfred Eimer das sich im Stadtmuseum Freudenstadt befindet und von H. Feigenbaum gezeichnet wurde.
Der Autor und Heimatforscher Prof. Dr. Manfred Eimer, 1871 – 1951, studierte in München, Tübingen und Straßburg.
Anschließend lehrte er 20 Jahre an der Oberrealschule in Straßburg.
Nach dem Krieg musste er das Elsass verlassen. Er lebte dann in Freudenstadt, wo er zur Heimatgeschichte kam und zahlreiche Bücher und Aufsätze veröffentlichte.
1922 ging er in den Lehrdienst nach Karlsruhe und 1934 nach Tübingen in den Ruhestand.
Gefunden von Hans Rehberg
Letzte Änderung am 15.03.21