Der Obermusbacher Wald und die Waldweide
– Wie die Lehensbauer den Wald als Eigentum nahmen
und die Taglöhner leer ausgingen –
Der Wald war in alter Zeit das Eigentum des Königs und wurde mit den Rechten der Nutzung auch an die Fürsten und Kirchen weitergegeben.
In unserem Fall wurde der Obermusbacher Wald zu einem uns unbekannten Zeitpunkt dem Kloster Reichenbach übereignet.
Die Lehensbauern hatten als zum Hof gehöriges Lehen nur Ackerflächen und Gärten. Nur in Aufnahmefällen war einmal ein Stück Wald in Bauernbesitz.
Da das Holz aus dem Wald aber für alle die Lebensgrundlage war, durfte es auch von allen Bürgern genutzt werden.
Im Lagerbuch wurde genau festgelegt, welche Nutzung kostenlos war und welche kostenpflichtig. So konnte Bauholz für neue Häuser, Holz zur Reparatur der vorhandenen Häuser und das Brennholz kostenlos aus dem Wald oder bestimmten Waldbereichen entnommen werden.
Für die kommerzielle Holzentnahme, also den Weiterverkauf von Holz, musste dem Kloster eine Gebühr entrichtet werden.
Der Wald und die Buschflächen wurden auch als Viehweide genutzt. Hier waren die Nutzung und die erlaubten Flächen im Lagerbuch geregelt.
Bezüglich der Jagd von Wild gab es strenge Regeln, die den Bauern wenig Möglichkeiten zur Ernährung boten. Erst nach 1848 wurde die Jagd durch die Bürger freigegeben. Wegen des unkontrollierten Wildabschusses wurde aber einige Jahre später bereits die Jagdverpachtung eingeführt.
Die Waldnutzung änderte sich im achtzehnten Jahrhundert. Der Wald wurde vom Fürstenhaus und großen Gesellschaften kommerziell ausgenutzt und das Holz nach Holland verschifft, in den aufwändigen Fürstenschlössern verarbeitet oder für die Glasherstellung verbrannt. Der Wald wurde zur Geldquelle.
Zu einer nicht bekannten Zeit nach dem 30jährigen Krieg und der Übernahme des Klosterbesitzes durch das Land Württemberg wurde offensichtlich der Wald, entsprechend den Grenzen des Lagerbuches von 1667, den jeweiligen Klostergemeinden übereignet.
Nach geltendem Recht konnten die Gemeinden über ihr Eigentum selbstständig verfügen und dies übten die Obermusbacher schnell und schlau aus. Sie privatisierten 1785 ihren Wald mit 1200 Morgen und kamen damit dem Staat zuvor, der dann um 1835 versuchte den gesamten Wald zu vereinnahmen.
Bei dieser Aktion verblieben dann den Gemeinden und den Bauern nur kleine Teile.
Wir sehen das deutlich am Untermusbacher Wald, der zum größten Teil jetzt Staats- und Gemeindeeigentum ist.
Im Bürgermeisterprotokollbuch 3) findet sich eine Randnotiz, wonach die Obermusbacher Lehensbauern im Jahr 1785 den Wald unter sich aufgeteilt haben.
Als weitaus wichtigere Quelle befindet sich im Stadtarchiv Freudenstadt eine Gerichtsakte 2) über einen langwierigen Prozess, der von 1836 bis 1843 geführt wurde. Diese Gerichtsunterlagen geben genaue Auskunft über die Waldübernahme durch die Lehensbauern in Obermusbach.
Der entsprechende Aktenteil wurde transkribiert und kann hier nachgelesen werden.
Zusätzlich zu den Waldflächen gab es auch noch die Weideflächen, Allmend genannt, die Allgemeingut waren und von allen Bürgern genutzt werden durften.
Diese Allmendflächen wurden entsprechend dem Bürgermeisterprotokollbuch in den Jahren 1788, 1812 und 1813 unter den Lehensbauer aufgeteilt.
Nach diesen allgemeinen Informationen nun zum Prozess der Gemeinde Obermusbach gegen ihre eigenen Lehensbauern.
Die Klage wurde angeregt durch den Neubürger Ochsenwirt Umhofer, dem die Lehensbauern die Holzgerechtigkeit durch Entnahme von Holz aus ihrem Wald verweigerten.
Umhofer hatte 1829 den Gasthof „Zum Ochsen“ gekauft und ihn 1838 wieder verkauft. Da die Ackerflächen vom „Ochsen“ von der Familie Mast bereits vorher verkauft waren, hatte Umhofer keine großen Felder und war als Wirt und nicht als Bauer eingestuft.
Nachdem Umhofer um 1837 aufgab bzw. die Klageberechtigung verweigert wurde, klagte die Gemeinde an seiner Stelle für die 2 Taglöhner Frey und Bauer, die von der Waldverteilung ausgeschlossen waren.
Der Prozeß wurde über die Jahre weitergeführt, obwohl das Civil-Gericht in Tübingen festgestellt hatte, dass die Gemeinde nicht gegen sich selbst, die Gemeindebürger waren ja fast ausschließlich Lehensbauern, prozessieren kann.
Der Prozess handelte von folgendem:
Da im Lagerbuch von 1667 geschrieben steht, dass den Lehenshöfen die Waldnutzung zusteht, wurde dies von den Lehensbauern so ausgelegt, dass nur sie Anrechte an dem Wald haben und die zwei Tagelöhnergüter nicht.
Im Jahr 1785 teilten die Obermusbacher Lehensbauern den Wald unter sich auf, dies wurde in einem Schriftstück, laut den Lehensbauern „Vertrag von 1785“, festgehalten. Nach dieser Vereinbarung erhielten die Taglöhner und alle anderen Bürger keinen Wald.
Es wurde den Taglöhnern jedoch eine Holznutzung in der Form zugestanden, dass diese Bau- und Brennholz weiterhin kostenlos aus dem Wald beziehen konnten.
Da der Ochsenwirt Umhofer als Neubürger zwar Bürgerrechte in Obermusbach besaß, jedoch kein Tagelöhner war, erhielt er keine Möglichkeit kostenloses Holz aus dem Wald zu beziehen. Gegen diesen verweigerten Holzbezug klagte er.
Nach 7 Prozessjahren kam es zu einer Einigung zwischen der Gemeinde und den Waldbesitzern.
Die Gemeinde und die Taglöhner verzichten auf ewige Zeiten auf die Holzgerechtigkeit und die Gemeinde erhält als Ausgleich einmalig 2500 Gulden von den Waldbesitzern.
Nach Unterzeichnung des Vergleichs wurde von der Kreisregierung in Reutlingen verlangt, dass die Paragraphen des Vergleichs gestrichen wurden, nach denen die Gemeinde ab diesem Zeitpunkt das Holz für die Taglöhner aus dem Gemeindewald zu stellen hat.
Hiermit standen dann die Taglöhner schlechter als vor dem Prozess da. Sie hatten nun keinen Anspruch mehr auf kostenlosen Holzbezug.
Da noch kein Grundbuch bestand beauftragt am 14. Juli 1843 1) der Gemeinderat den Verwaltungsactuer Schmid von Aach mit der Ermittlung der einzelnen Grundstücksgrößen aus der Topoprafischen Landkarte um an Hand dieser Daten die 2500 Gulden auf die einzelnen Besitzer umzulegen.
Am 9. Dezember 1847 beauftragt der Gemeinderat die Erstellung eines Angebotes für ein Güterbuch (Grundbuch) beim Amtsnotar Walther von Dornstetten.1) Erst am 17. Juli 1851 wird die Erstellung des Güterbuches beauftragt. 1) Endlich, am 19. September 1854 wird das erste Güterbuch dem Gemeinderat übergeben. 1)
Weiteren Niederschriften aus dem Musbacher Archiv ist zu entnehmen, dass ein großer Teil des Waldes bei der Gemeinde als sogenannter Armenwald verblieb. Dieser Wald sollte als Gemeindeeigentum die Armenkasse der Gemeinde absichern.
Laut Kaufbuch vom 12. Main 1874 4) einigten sich die Lehensbauern jedoch darauf, auch diese Flächen noch unter sich aufzuteilen. Bei dieser Aufteilung wurde dann auch den zwei Tagelöhnergütern einige Flächen zugestanden.
In den Jahren 1847/48 klagte der Löwenwirt Joseph Schäfer von Dettlingen auf sein verlorengegangenes Recht an der Holzgerechtigkeit. Er bekam Recht und die Obermusbacher Lehensbauern mussten noch einmal 1400 Gulden Entschädigung zahlen. 1)
Am 20. März 1875 beschliesst der Gemeinderat, ein 3 h 36 a 58 qm großes Waldstück in der Sebastiansmahd, das bei der Waldverteilung den Lehensbauern zugeschrieben worden war, für 100 Gulden in das Gemeindeeigentum zu übernehmen.1)
Am 12. Mai und 1. Juni 1884 kauft der Gemeinderat von Wilhelm Lustnauer von Höfen ein Waldstück von 2 h 50 a 42 qm im Reichenbacher Wald. 1)
Es ergibt sich aus obigem, dass die Obermusbacher Lehensbauern für ihre 1200 Morgen Wald 3900 Gulden zahlen mussten.
Zum Vergleich: die Gebäude eines Obermusbacher Bauernhofes (2stöckiges Wohnhaus, Schopf, Scheuer) hatten zu dieser Zeit einen Brandversicherungswert von 4000 Gulden und das 1840 erbaute Rathaus kostete 1500 Gulden.
BASIS SIND DIE UNTERLAGEN: 1)MUSBACHER ARCHIV GEMEINDERATSPROTOKOLLBUCH, 2)STADTARCHIV FREUDENSTADT (GERICHTSAKTE 21), 3)MUSBACHER ARCHIV BÜRGERMEISTERPROTOKOLLBUCH,4)MUSBACHER ARCHIV KAUFBUCH .
ERMITTELT UND AUFGESCHRIEBEN VON HANS REHBERG.
Letzte Änderung am 15.03.21