Hirsch

Das ehemalige Gasthaus „Hirsch“ in Obermusbach

Ein 191 Jahre altes Bauernhaus wurde abgerissen.

Im Schwarzwälder Boten vom 25. Oktober 2013 wurde berichtet, dass ein altes Bauernhaus als Schandfleck in Obermusbach abgerissen wurde.
Das Haus war wirklich keine Zierde mehr,  stand es doch schon seit etwa 20 Jahren leer und war an der Durchgangsstraße mit der behelfsmäßigen Abstützung über  Jahre  ein gefährliches Hindernis.
Aber ist dieser Abriss ein Fortschritt?      

Luftaufnahme 1958 Gasthaus "Hirsch"
Luftaufnahme 1958 Gasthaus „Hirsch“

Das Haus gehörte zu den großen typischen Bauernhäusern im Nordschwarzwald und Obermusbach. Ein ansehnliches großes Haus, das 1822 nach dem großen Brand wieder aufgebaut wurde. In der Gesamtansicht von Obermusbach ist nun eine Baulücke entstanden, die schwer so harmonisch wieder gefüllt werden kann.
Die Bausubstanz ist verloren und dieses kleine, über hunderte von Jahren unveränderte Bauerndorf ist wieder etwas mehr zerrissen.

Im Lagerbuch des Klosters Reichenbach von 1427 steht geschrieben, dass es in Obermusbach 13 Lehenshöfe und einige Tagelöhnerhäuser gab. Hieraus kann geschlossen werden, dass an Stelle des abgerissenen Hauses bereits 1427, also vor 600 Jahren,  ein Lehenshof stand.  
Auch 250 Jahre später, im Lagerbuch von 1667, finden wir den Nachweis über 13 Bauernhöfe.
Im Brandjahr 1822 gab es noch 12 Lehenshöfe und 2 Tagelöhnerhöfe, wobei ein Lehenshof bereits leer stand und nach dem Brand nicht wieder aufgebaut wurde. Die anderen abgebrannten 8 Lehenshöfe und das Tagelöhnerhaus wurden im selben Jahr wieder aufgebaut. So auch das jetzt abgerissene Gebäude.
1856 wurde der schräg gegenüberliegende Hof vom Schultheiß Hofer abgerissen und 1915 brannte ein weiterer Hof ab und wurde nicht wieder aufgebaut.
Zu diesem Zeitpunkt gab es noch 10 Bauernhöfe und ein Tagelöhnerhaus.
Im Jahr 1981 brannte dann ein weiterer Hof ab, der aber wieder aufgebaut wurde und lange Zeit der einzige Neubau im Ortskern war.

Für den 2013 abgerissenen Lehenshof lässt sich für die Zeit vor 1604 ein Hans Koller als Eigentümer nachweisen. Die Koller (Kohler)-Familie verschwindet dann aber aus Obermusbach und das mag damit zusammen hängen, dass ein Familienmitglied im Jahr 1600 den Lehensbauer Michael Plöchlin ermordet.  
Den Kollers folgten im 30jährigen Krieg Conrad Herr und kurzzeitig Hans Gree als Besitzer.
Der nächste Besitzer ist Georg Mohrhardt, der den Hof zum Kriegsende um 1646 kauft. Da seine Söhne sich anderweitig verheirateten, erhielt seine Tochter Anna den Hof als Dank dafür, dass sie ihn pflegte.  
Anna heiratet 1679 Conrad Frey aus Höfe im Tonbachtal. Der Erbe, Sohn Christoph Bernhard Frey, konnte den Hof offensichtlich nicht halten und verkauft ihn 1712 an seine Schwester Magdalena  und ihren Ehemann Franz Frey aus Röt.
Deren einziger Sohn heiratet nach Hallwangen, so dass auch hier wieder eine Tochter erbt. Es ist Christina Frey, die 1749 ihren Namensverwandten Conrad Frey aus Röt heiratet.
Der nächste Erbe ist wieder eine Tochter, sie heißt wie die Mutter, Christina  und heiratet 1773 Johannes Mast, den Sohn vom Ochsenwirt  Adam Mast gegenüber. 
Johannes eröffnet das Wirtshaus „Hirsch“ und wurde nun als Hirschwirt geführt. Der nächste Eigentümer war der Sohn Johann Adam Mast, der ebenfalls  Hirschwirt genannt  wird.
Johann Adam heiratet 1807 Anna Catharina Gässler aus Römlinsdorf, die 1837 vom Wagen sprang, unters Rad kam und starb.

Türsturz "Hirsch" von 1822
Türsturz „Hirsch“ von 1822

Der Türsturz zeigt die Initialen Adam Mast und Anna Catharina Mast sowie das Baujahr 1822.
1822 brannte der Hirsch ab und wird im selben Jahr wieder aufgebaut.
Der Sohn Johannes Mast heiratete 1836 Christina Köhler aus Dürrenmettstetten und kaufte anlässlich der Hochzeit den Hof von der Mutter. Der Vater war bereits 1825 gestorben. 
Der nachfolgende Sohn Johannes Mast heiratete 1867 Anna Maria Müller, die Tochter vom Hirschwirt in Grüntal. Die Braut brachte 7000 Gulden mit in die Ehe und der Hofwert wurde mit 14000 Gulden festgelegt und an die Eltern verrechnet. Die Eltern erhalten zusätzlich ein Leibgeding.
In den Büchern wird Johannes Mast als Bauer und nicht als Hirschwirt bezeichnet. Hier enden also offensichtlich nach knapp 100 Jahren der Betrieb des Gasthofes „Hirsch“ und die Mast-Familie, da die Kinder aus der ersten Ehe den Hof nicht erben.
Die Witwe Anna Maria heiratete in zweiter Ehe 1878 Andreas Wörner aus Reinerzau. Die Söhne Hermann und Wilhelm Wörner übernahmen anschließend den Hof mit einer Fläche von 29 ha.  
Wilhelm bleibt ledig und Hermann heiratete 1920 Luise Karoline Schleh aus Aach. Die Ehe bleibt kinderlos. Der Hof und die Grundstücke wurden verkauft.
Das Haus übernahmen in Folge  zwei weitere Besitzer. Der letzte Besitzer ließ das Haus leer stehen und verkommen. Mit dem Abriss ist auch die wechselvolle Geschichte dieses alten Bauernhofs zu Ende gegangen.

Heute steht an der Stelle des alten Lehenshofes eine große landwirtschaftliche Lager- und Maschinenhalle.

Weitere Informationen zum „Hirsch“ finden Sie hier….

Foto und Text von Hans Rehberg

Letzte Änderung am 15.03.21