Die uralte Kapelle „Unser lieben Frauen“ von Obermusbach
Die Kapelle ist beim großen Brand 1822 bis auf die Grundmauern abgebrannt.
In der Karte des Georg-Ludwig Stäbenhaber vom Forstbezirk Freudenstadt aus dem Jahre 1675 ist die Kirche von Obermusbach eingezeichnet. Da die Karte detailgetreu gezeichnet wurde, kann davon ausgegangen werden, dass der Kirchturm damals wie gezeichnet gebaut war.
Ausschnitt „Obermusbacher Kirche“ aus der Karte von Georg-Ludwig Stäbenhaber, erstellt 1675. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Archiv. Nr. N3 Nr. 5.
Das Aussehen der Kirche nach Stäbenhaber dürfte dem der Grüntaler und der Loßburg-Lombacher Kirche, Foto siehe unten, entsprochen haben.
Als Dokument von der Zeit vor 1822 finden wir im Musbacher Archiv eine Inventarliste von 1820 , in der auch Schulinventar aufgeführt wird. Die Kirche diente also vor dem Brand auch als Schulhaus, so das nach 1822 ein neues Schulhaus erforderlich wurde.
Im Primärkataster des Vermessungsamtes von 1844 wird die Kapelle noch als Ruine aufgeführt.
Der Streit um den Wiederaufbau
Aus dem Ortsplan von 1836 kann man entnehmen, dass die Kapelle etwa 11×9 m groß war mit einem vorgesetzten Kirchturm von 6×4 m. Im Turm waren zwei Glocken und eine Uhr.
Im Buch „Beschreibung des Oberamtes Freudenstadt“ von 1859 wird der noch stehende Turmrest beschrieben. Hierzu folgender Bericht: Vom Wiederaufbau ausgeschlossen blieb die Kapelle. Zwar wurde durch Erlass vom 4.Oktober 1823 Bauinspektor Dillenius beauftragt, einen Bauplan mit Kostenvoranschlag zu fertigen, doch die Kosten für die neue Kirche, die in der alten Größe wieder hergestellt werden sollte, beliefen sich auf 6000 Gulden. Aus dem Herrschaftswald (Staatswald) konnten hierzu Steine im Werte von 94 Gulden unentgeltlich beschafft werden. Eine weitere Kostensenkung von 902 Gulden und 4 Kreuzer wäre durch die Beifuhr von Sand und Holz aus dem Gemeindewald möglich gewesen. Es verblieben dann immer noch die ungedeckten Baukosten von 5000 Gulden. Die Regierung des Schwarzwaldkreises in Reutlingen konnte die hohen Baukosten für die geringe Einwohnerzahl (14 Familien mit 122 Einwohner) nicht gutheißen. Sie empfahl, die Bewohner möchten von dem Wiederaufbau Abstand nehmen und nach Grüntal in die Kirche gehen.
In der Folgezeit erhob sich zwischen dem Stiftungsrat Obermusbach und der Finanzkammer ein langjähriger Streit über die Baulast an der Kirche.
Die Finanzkammer verneinte sie und Obermusbach konnte nur vermerken, dass die Geistliche Verwaltung zu den Erneuerungsarbeiten der abgebrannten Kapelle in den Jahren 1788 bis 1792 über 2000 Gulden aus dem Kirchengut beisteuerte.
So entschied der Zivilsenat am 30. Mai 1842: „Die Baulast der Finanzkammer an der Obermusbacher Kapelle ist nicht erwiesen.“
Aus eigener Kraft vermochte aber die kleine und schwergeprüfte Gemeinde die Kapelle nicht wieder zu erstellen. Der 4a 4qm große Kirchenplatz wurde an die Anlieger verpachtet, bis er schließlich im Jahre 1896 um den Preis von 643 Mark verkauft wurde. Der Erlös wurde einem Grundstock zugeführt.
Die Geschichte der Kapelle „Unser lieben Frauen“
Die abgebrannte Obermusbacher Kapelle gehörte zu den ältesten Gotteshäusern unserer Umgebung und war der Mutter Gottes („Unser lieben Frauen“) geweiht. Sie findet bereits im Dornstetter Geistlichen Lagerbuch von 1535 Erwähnung, dürfte aber weit älter sein, wie ein Unterpfandbrief des Ulrich Mentelli aus dem Baierbronner Tal von 1484 vermerkt 1).
Leider sind die Einträge über die Kapelle in dem genannten Lagerbuch unvollständig, da es nur die Verpflichtungen der württembergischen Untertanen, nicht aber die der markgräflichen enthält. Doch schon die wenigen Aufschriebe lassen ersehen, dass der Besitz- und Vermögensstand der Kapelle in jener Zeit gut war. Allein die 26 Unterpfandpflichtigen aus Untermusbach, Grüntal, Wittlensweiler, Hallwangen, Dornstetten und Pfalzgrafenweiler reichten jährlich 20,5 Gulden, 12 Schilling und 7 Heller.
Ferner besaß die Kapelle auf Markung Untermusbach in der Halde ein Gärtlein, im Dürrenbach einen Mähacker und in der Kess- oder Reesmahd 4 Tagewerk Wiesen und auf der Markung Grüntal weitere 2 Jauchert Äcker im Gewand „Auf der Höhe“.
Noch im 17. Jahrhundert (1667) beherbergte die Kapelle ein geschnitztes Marienbild mit dem Jesuskindlein auf dem Arm. Der Schrein war auf dem Altar aufgestellt.
Obermusbach wurde, da es zur Markschaft Baden und zum Kloster Reichenbach gehörte, verhältnismäßig spät reformiert (zwischen 1595 und 1603). Mit Sicherheit gehört der Ort seid 1610 zum Kirchspiel Grüntal.
Während des dreißigjährigen Krieges bekam Obermusbach auch die kaiserliche Restititionedikt zu spüren. Von 1635 bis 1649 wurde der Ort nochmals katholisch und der Pfarrei Reichenbach angegliedert.
Bis zum Kirchenbrand 1822 predigte der Grüntaler Pfarrer jährlich viermal in Obermusbach und erteilte anschließend das Heilige Abendmahl, und zwar am Sonntag Quasimodogeniti, am Erscheinungsfest, am 2. und 21. Sonntag nach Pfingsten.
Auch war der Pfarrer verpflichtet auf dem 1794 neu angelegten Friedhof Leichenpredigten zu halten. Noch im 17. Jahrhundert erwähnte Obermusbach sein Beerdigungsrecht in Dornstetten, das es seit frühester Zeit besitze. Nach dem Brand hielt der Grüntaler Pfarrer zweimal im Jahr Gottesdienst in Obermusbach.
In der Heiligenpflege-Rechnung vom 15. März 1786 ist eine Position für Kirchenbauwesen vorgesehen.
In der Bauform bestand die Kapelle aus einem Haupthaus und einen vorgesetzten Turm. Dies entspricht annähernd der Urnagolder Kirche , die jedoch mit etwa 19×11 m und einem vorgesetzten Turm von 7×5 m etwas größer war. Im Buch der Heiligenrechnung von 1816/19 erhielt der Messner als Besoldung jährlich 8 Gulden. Dieser Lohn schloss auch das Richten der Kirchenuhr ein. Die ersten Zahlungen waren 1793 und 1794 zu je 1 Gulden 30 Kreuzer. Für die jährliche Pflege und das Einschmieren der Kirchenuhr erhielt der Messner 36 Kreuzer. Für das Ausbauen der Kirchenuhr jährlich 1 Gulden.
Gemäß Grundbuch I wird die Ruine 1867 abgebrochen.Das Grundstück der Kirche mit 4a 4 qm, der Kirchhof, wird mit Kaufvertrag vom 18.11.1896 an Joh. Bohnet und Andreas Wörner verkauft. Den Kirchengarten kaufen 1896 je hälftig Joh. Bohnet und Andreas Wörner.
Der Kirchturm entspricht in der Dachform dem der Stebenhaber Karte von 1670.
Die Stiftungspflege
Im Buch der Heiligen-Pflege-Rechnung von 1822/25 verpflichten sich die Gastwirte von Obermusbach (Hirsch und Zum Ochsen) jährlich 10 Kreuzer für die Schwörbüchse zu geben.
1891 wurde die Obermusbacher Stiftungspflege aufgelöst und dass vorhandene bewegliche und starre Vermögen auf die bürgerliche und die kirchliche Gemeinde aufgeteilt. Den Friedhof erhielt die bürgerliche Gemeinde, der Platz der Kirche wurde verkauft und der Erlös ging an die Kirchengemeinde.
Im Jahre 1738 stiftete der Obermusbacher Bauer und Richter Martin Wunsch, der 3 Ehemann von Anna Bohnet *1644, in seinem 1725 erstellten Testament der Obermusbacher Kirchenpflege 10 Gulden unter der Bedingung, dass von dem Zins jährlich zu Martini Bücher für Bedürftige angeschafft werden. Im Stiftungs-Protokollbuch von 1829 bis 1925 (ab 1891 Kichengemeinderaths-Protokollbuch) war das Geld am 21.11.1921 mit einem Betrag von 25 Mark noch vorhanden. Es wurde damals festgestellt, dass die Stiftung nicht mehr benötigt wird, da jetzt Lehrmittelfreiheit besteht. Das Geld wurde deshalb zu einen Zinssatz von 3% angelegt, damit das Kapital wächst und einem anderen Verwendungszweck zugeführt werden kann. Da wir heute nur noch eine begrenzte Lehrmittelfreiheit haben, könnte die Stiftung wieder aktiviert werden. In der handschriftlichen topografisch-statistischen Beschreibung der Stadt und des Amtes Dornstetten von Pfarrer Köhler aus Marschalkzimmern im Jahre 1834 wird geschrieben, dass die Untermusbacher bis 1822 zur Kirche und Schule von Obermusbach gehörten.
1) HSTAS H102/21Bd1, Auszüge aus „Geschichte der Kirche und Pfarrei Grüntal von Oswald Heinzelmann“ und dem Staatsarchiv Ludwigsburg unter E 258 VI Bü 1350 und Hauptstaatsarchiv Stuttgart H102/21 Bd.1.
Ermittelt und aufgeschrieben von Hans Rehberg.
Letzte Änderung am 08.08.24